Ziele in der Erziehung
Erziehungsziele als pädagogischer Grundbegriff
Von Punkt A nach Punkt B (naive Sicht)
IST-ZUSTAND SOLL-ZUSTAND
Der Erzieher findet das Individuum in einem gewissen IST-Zustand vor und will es in einen SOLL-Zustand überführen.
Versuch einer Definition von Erziehungsziel:
Definition nach Brezinka:
Erziehungsziele sind Soll-Vorstellungen, die Auskunft darüber geben, wie sich der Zu Erziehende (Educandus lat.) gegenwärtig oder zukünftig verhalten soll und wie Eltern und andere Erzieher in der Erziehung handeln sollen, damit der Zu-Erziehende befähigt wird, das bei ihm angestrebte Verhalten (was wünschenswert ist) so weit wie möglich zu verwirklichen. (1977)
Definition nach Klafki:
Erziehungsziele sind in der Erziehung bewußt gesetzte Normvorstellungen über das Ergebnis der Erziehung die Auskunft darüber geben, wie sich der Zu-Erziehende gegenwärtig und zukünftig verhalten soll und wie Eltern und andere Erzieher in der Erziehung handeln sollen. (1970)
In diesen beiden Definitionen werden Unterschiede deutlich. Hier ist auch gleichzeitig Kritik an der 2. Definition anzusetzen:
Jedes EZ stellt eine Aussage über das Ergebnis der Erziehung dar. (Meine Kinder sollen einmal ...)
Richtiger: EZ stellen eine Aussage dar, die Vorstellungen über das individuelle wünschenswerte Verhalten ausdrücken. Ob diese Vorstellungen eingetroffen sind oder nicht, kann an dem Ergebnis des Erziehungsprozesses gesehen werden, nicht an dem Ergebnis der Erziehungsziele.
(Für Erziehungsprozeß kann auch in diesem Fall Erziehungsvorgang
gesagt werden)
Erziehungsziele als soziale Normen
Bei Erziehungszielen handelt es sich immer um soziale Wert- und Normvorstellungen einer Gesellschaft. Die Erziehungsziele sind also bewußt gesetzte Normen. Hierin liegen auch Gefahren.
Der Begriff ‘Erziehungsziel’ ist abzugrenzen zu ‘Lehr- und Lernzielen’ Letztere beziehen sich auf konkrete Inhalte (die aber auch zur Erziehung beitragen können).
In der Schule sollte eigentlich von ‘Bildungszielen’ anstelle von ‘Erziehungszielen’
gesprochen werden. (Historisch begründbar)
Unterscheidungen von Erziehungszielen:
Formelle Erziehungsziele:
Bewußt gesetzte Normen (Einflußnehmer: Kirchen,
Verbände, Vereine, Institutionen Staat usw.)
Diese Ziele sind Leitvorstellungen zur Erziehung in einer Gesellschaft.
Informelle Erziehungsziele:
Haltungen und Einstellungen, Werte, Vorstellungen,
Erfahrungen, des jeweiligen Erziehers.
Faktoren und Wandel von Erziehungszielen
Entscheidend ist hierbei, ob es sich um private, familiäre Erziehung, oder um or-
ganisierte (öffentliche) Erziehung handelt.
Instanzen, die Erziehungsziele festsetzen
Wolfgang Klafki führt dazu einige Beispiele aus:
Wirtschaftsinstanzen: Berufl. Ausbildung wird durch Interessensverbände, IHK,
formuliert und durchgesetzt.
Politische Machthaber bzw. Regierungen von Staaten: Sie legen auch EZ fest.
Politische Parteien: Sie nehmen in ihren Parteiprogrammen bestimmte Vorstellungen über EZ auf.
Kirchen und Verbände: wie z. B. Elternvereinigungen
oder Träger von Erziehungsinstitutionen haben ebenfalls ihre Vorstellungen
über EZ.
Faktoren, die die Setzung von Erziehungszielen beeinflussen
Eltern und andere Erzieher - soweit sie diesbezüglich einen Freiraum haben - werden bei der Setzung ihrer pädagogischen Ziele von bestimmten Umweltbedingungen und vor allem von ihren eigenen Persönlichkeitsmerkmalen beeinflußt.
Soziokulturelle Faktoren: Eltern und Erzieher orientieren sich bei ihrer Setzung von EZ im Prinzip an den Wert- und Normvorstellungen der betreffenden Gesellschaft, bzw. einer ihrer Gruppen (dem die Erzieher selber angehören).
Das Staatssystem ist außerdem sehr entscheidend. Auch Medien üben einen Einfluß auf das Anstreben von EZ aus.
Ökonomische Faktoren: die jeweilige Wirtschaftsordnung einer Gesellschaft nimmt ebenfalls Einfluß auf die EZ. Die starke Orientierung der Wirtschaft am Gewinn, der Zwang zum Konsumieren, die Betonung von Eigentum und Leistung sowie Konkurrenzdenken und Positionskämpfe bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die Festlegung von EZ. Auch wirtschaftliche Verhältnisse, wie Verdienst, Vermögen und Besitz, Wohnbezirk oder Wohnraum und dessen Einrichtung einer Familie spielen eine große Rolle.
Individuelle Faktoren: Die familiäre Situation, wie Familiengröße, Vollständigkeit bzw. Unvollständigkeit einer Familie oder die Familienatmosphäre, beeinflussen auch das Anstreben bestimmter EZ. Bezugsgruppen bilden oft eine große Macht hinsichtlich der Orientierung bei der Verfolgung von bestimmten EZ.
Persönlichkeitsmerkmale des Erziehers selbst. Sie haben
wohl den prägendsten Einfluß auf die Setzung von EZ. Eigene
Wünsche, Projektionen, Bedürfnisse Ideale, Gefühle, Einstellungen,
Erfahrungen, Tradition, weltanschauliche und ideologische Einstellungen,
aber auch die eigene erlebte Erziehung spielen bei den EZ eine große
Rolle. Positive und negative Erlebnisse in der persönlichen Lebensgeschichte
wirken sich sehr entscheidend auf die Formulierung von EZ aus.
Der Wandel von Erziehungszielen
Wie die Geschichte der Pädagogik zeigt, wurden nach- und nebeneinander recht unterschiedliche Erziehungsziele vertreten. Je nach dem jeweiligen Menschenbild und der Weltanschauung, je nach den politischen oder militärischen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten und Interessen einer Gesellschaft, je nach ihren aktuellen Wert- und Normvorstellungen wurden und werden im Laufe der Zeit unterschiedliche Erziehungsziele formuliert.
Beispiele::
Johann Friedrich Herbart (1776 - 1841) entwickelte Erziehungsziele :
"Erziehung zum Wohlwollen oder zur Güte", "zur Rechtlichkeit" und "zur inneren Freiheit".
Papst Pius XI formulierte aus dem Glauben heraus 1929: "Die Mitwirkung mit der Gnade Gottes bei der Bildung des wahren und vollkommenen Christen".
Im Dritten Reich war es die Ideologie des Nationalsozialismus, die den Wandel von erzieherischen Leitvorstellungen entwickelte. "Deutsche Männer und Jungen sind hart wie Kruppstahl".
Klafki beschreibt den Wandel der EZ so: EZ sind immer ‘Antworten bestimmter Menschen oder Menschengruppen auf bestimmte geschichtliche Situationen unter dem Gesichtspunkt, wie sich die nachwachsende Generation gegenwärtig oder zukünftig verhalten soll.’ (Klafki u.a. 1970)
Je nach soziokulturellen Bedingungen werden die von einzelnen Gruppen der Gesellschaft befürworteten Ziele sich voneinander unterscheiden.
Damit wird deutlich, daß es in einer demokratiefreundlichen Gesellschaft
das Ziel der Erziehung nicht geben
kann, sondern daß hier immer - innerhalb eines gewissen Rahmens -
eine Vielfalt von Erziehungszielen möglich sein muß. (1)
1) vgl. Huppertz, N., Schinzler, E.: Grundfragen der Pädagogik, München 1975