Theorie: Beobachtung
1.0 Einführung
Eine Beobachtung ist das
systematische Erfassen, Festhalten und Deuten sinnlich wahrnehmbaren Verhaltens
zum Zeitpunkt seines Geschehens.[1]
Den Unterschied zur
alltäglichen Beobachtung erklärt er folgendermaßen: ,,Während alltägliches
Beobachten der Orientierung der Akteure in der Welt dient, ist das Ziel der
wissenschaftlichen Beobachtung die Beschreibung bzw. Rekonstruktion sozialer
Wirklichkeit vor dem Hintergrund einer leitenden Forschungsfrage."[2]
Weitere Unterschiede sind
die Anwendung systematischer Verfahrensweisen, während die alltägliche
Beobachtung eher unreflekiert abläuft. Ziel der wissenschaftlichen Beobachtung
ist es weiterhin, ihre Ergebnisse einer wissenschaftlichen Diskussion zu
unterziehen.[3]
Durch die Beobachtung kann
gegenwärtiges Verhalten festgehalten werden, was den Vorzug dieses Verfahrens
ausmacht.[4]
So gibt es bei der Befragung
die Problematik, daß der Befragte nur eine Antwort bezüglich eines möglichen
Verhaltens oder eines Verhaltens in der Vergangenheit gibt, die zudem subjektiv
verarbeitet und interpretiert und somit verfälscht ist. Bei der Beobachtung
hingegen wird festgehalten, wie der Beobachtete sich tatsächlich verhält.[5]
Es wird in der Beobachtung
also ein real existierendes Verhalten
registriert. Im Gegensatz zur Befragung, bei der erlebtes soziales Verhalten
festgehalten wird, befaßt sich die Beobachtung mit effektiv sozialem Verhalten.[6]
Jürgen Friedrichs allerdings
weist auf die verhältnismäßig seltene Anwendung der Beobachtung in der
Soziologie hin. Grund hierfür ist, ,,daß die Beobachtung Hypothesen über das
Verhalten von Individuen verlangt, zu denen dann Analysen und Prognosen nötig
sind. In den Hypothesen sind Variablen
enthalten, deren Messung anhand der Kategorien des Forschers erfolgt, er
interpretiert Bewegung,
räumliche Distanz und
Interaktionen."[7]
Folglich steht die
Interpretation des Betroffenen der des Akteurs
gegenüber.
1.1 Geschichte
der Beobachtung
Die Beobachtung als Methode
der Sozialwissenschaft hat eine relativ kurze Geschichte. Vorgänger aus dem 18.
Jahrhundert waren systematische Erhebungen zu Haushaltsbudgets und Lebenslagen
ärmerer Bevölkerungsschichten,
durchgeführt von entweder staatlichen Fabrikinspektoren wie in England oder von
sozialreformerischen Kräften. Als Beispiel für letzeres kann Friedrich Engels
Studie ,,Zur Lage der arbeitenden Klasse in England" gelten.
Durch den Kolonialismus im
19. Jahrhundert kam die Methode der teilnehmenden Beobachtung und der
Feldstudien auch in der Ethnologie auf.
Wirkliche Anerkennung als
sozialwissenschaftliche Methode erlangte die Beobachtung - hier mit ihrer Ausprägung der qualitativ-teilnehmenden
Variante (siehe Kap. 1.4 - Quantitative vs. Qualitative Beobachtung und Kap.
2.2 - Teilnehmende/ nicht-teilnehmende Beobachtung) - aber erst zu Beginn des
20. Jahrhunderts durch die Studien der soziologischen Abteilung der Universität
von Chicago, der ,,Chicagoer Schule". Untersuchungsgegenstand war hier der
soziale Wandel und die Großstadt, die empirisch erforscht wurden. Auch die als
,,Street Corner Society" bekannt gewordene Untersuchung, auf die in Kap.
3.2 näher eingegangen wird, wurde von dieser Schule angeregt.
In den 40er und 50er Jahren
kristallisierte sich in der US-amerikanischen Sozialforschung ein Vorzug
für die quantitativ orientierte
Beobachtung heraus, so daß sich die Beobachtungen dieser Zeit durch hoch
strukturierte und standardisierte Verfahren auszeichnete.
Erst seit Beginn der 80er
Jahre mißt man der qualitativ orientierten Beobachtung wieder mehr Bedeutung
bei.[8]
1.2
Möglichkeiten und Grenzen der Beobachtung
,,Der größte Gewinn der
Beobachtungsverfahren liegt vielleicht darin, daß sie es erlauben, ein
Verhalten dann festzuhalten, wenn es sich ereignet", schreiben Claire
Sellitz, Marie Jahoda, Morton Deutsch und Stuart W. Cook.[9]
Damit hängt auch der Vorteil
der Beobachtung gegenüber anderen Methoden der Datenerhebung - wie z.B. die
Befragung - zusammen, daß die Fähigkeiten und die Bereitwilligkeit der
betreffenden Personen und Gruppen nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Bestimmte Bereiche entziehen
sich allerdings der unmittelbaren Beobachtung. Während Personen zwar Auskunft
über ihr Geschlechtsleben geben, läßt sich jedoch ihr Verhalten in aller Regel
nicht beobachten.
Eine weitere Einschränkung
der Möglichkeiten einer Befragung ist die zeitliche. Zum einen muß ein
Verhalten erst eintreffen, bevor es beobachtet werden kann, was speziell bei
der nicht-teilnehmenden Feldbeobachtung (siehe Kap. 2.1
Feldbeobachtung/Laborbeobachtung und Kap. 2.2. Teilnehmende/nicht-teilnehmende
Beobachtung) als langwierig erweisen könnte.
Als ein Beispiel wäre hier
das Interesse eines Forschers am Verhalten der Menschen während eines
Vulkanausbruchs zu nennen. Hierbei muß nicht nur der Vulkan ausbrechen, sondern
der Forscher auch anwesend sein, um die Beobachtung durchzuführen. In diesem
Falle wäre eine Datenermittlung durch eine Befragung wahrscheinlich sinnvoller.
1.3
Quantitative vs. qualitative Beobachtung
In der Sozialforschung
besteht ein Unterschied zwischen einer quantitativen und einer qualitativen
Konzeption, und daher auch eine Differenz zwischen quantitativ bzw. qualitativ
orientierten Beobachtungsstudien. Die
quantitative Beobachtung begreift die soziale Realität als objektiv und mit
kontrollierten Methoden erfaßbar. In erster Linie geht es um die Erfassung von
Daten, die zur Überprüfung von Theorien und Hypothesen dienen. Einzige
Kriterien sind die Reliabilität und Validität dieser Daten (siehe Kap. 4 -
Fehlerquellen), denen man mit der Erhebung großer Fallzahlen und der
personellen Trennung von Forscher und Beobachter Genüge zu tun versucht.
Atteslander kritisiert die quantitative Methode, da sie von einem `Primat
der Methode' gekennzeichnet ist, d.h., die Beschäftigung mit der
Methode überlagert den eigentlichen Gegenstand.[10]
Außerdem weist er bei dieser
Art der Beobachtung durch Standardisierung und Quantifizierung auf die Gefahr
der Scheinobjektivität hin.[11]
Demgegenüber steht die
qualitativ orientierte Beobachtung. Diese ist gekennzeichnet durch ,,die
Annahme, daß soziale Akteure Objekten Bedeutungen zuschreiben, sich nicht starr
nach Normen und Regeln verhalten, sondern soziale Situationen interpretieren
und so prozeßhaft soziale Wirklichkeit konstituieren."[12]
Hier beschäftigt sich der
Forscher also nicht mehr hauptsächlich mit der Methode, sondern mit der
Interpretation, deren Forschungsprinzipien zwar auf einer gemeinsamen Basis begründet
sind, aber Unterschiede aufweisen können. Im Gegensatz zur quantitativen
Beobachtung ist bei der qualitativen Beobachtung eine - teilweise oder zeitlich
begrenzte - personelle Identität von Forscher und Beobachter möglich.[13]
1.4 Elemente
der Beobachtung
1.4.1
Beobachtungsfeld
Der Bereich, in dem eine
Beobachtung stattfinden soll, bezeichnet man als Beobachtungsfeld. Dabei
handelt es sich nicht ausschließlich um das räumliche Umfeld, in dem die
Beobachtung stattfinden soll, vielmehr spielen auch der soziale Bereich, der
Zeitpunkt und die Rahmenbedingungen der Untersuchung eine Rolle. Vorkenntnisse
über das Beobachtungsfeld sind wichtig, damit die Untersuchung nicht verzerrt
wird. Als Beispiel wäre es wenig sinnvoll, eine Beobachtung von sozialen
Verhalten von Studenten in Seminaren in der vorlesungs freien Zeit
durchzuführen.[14]
Weitere mögliche
Verzerrungen würden sich ergeben, wenn man die Grenzen des Raumes, in dem man
die Beobachtung durchführen will, zu eng steckt. So wäre es z.B. unzureichend,
das soziale Verhalten von Studenten nur innerhalb der Universität zu beobachten
und andere Lebensbereiche wie Wohnheime, Kneipen, etc. außer acht zu lassen.[15]
1.4.2
Beobachtungseinheiten
Eine Beobachtungseinheit ist
derjenige Teilbereich sozialen Geschehens, der der konkrete Gegenstand der
Beobachtung sein soll.[16]
Bei der quantitativen
orientierten Beobachtung ist eine Beobachtungseinheit die kleinste, vollständig
deutbare Einheit eines Verhaltens. In der Bales 'schen Interaktionsanalyse z.B.
(siehe Kap. 3.1 - Die Interaktionsanalyse von R. F. Bales) bildet ein Satz eine
Beobachtungseinheit:
,,Aus der Beschreibung des
Aufzeichnungsprozesses geht deutlich hervor, daß jedes Mal, wenn die handelnden
Personen wechseln, eine neue Einheit beginnt. Manchmal spricht jedoch jemand
während längerer Zeit. Er sagt z.B.: "Ich habe genau 12 Uhr. Allerdings
ist meine Uhr in der letzten Zeit gelegentlich stehengeblieben. Ich weiß also
nicht, ob meine Zeit genau stimmt.' Der Beobachter würde für diese Satzfolge
drei Einheiten eintragen, für jeden Satz eine."[17]
Qualitative Untersuchungen
jedoch wollen, wie in Kap. 1.1 schon erläutert, Situationen in ihrer Ganzheit
erfassen und verwenden deshalb weniger stark abgegrenzte Beobachtungseinheiten,
hier werden eher ganze Situationen als Beobachtungseinheiten verstanden.
Situationen werden hierbei als eine sinnlich wahrnehmbare Einheit von Personen,
anderen Organismen oder materiellen Elementen verstanden, wie z.B. die
Situation ,,Volksfest", die noch weiter unterteilt werden kann in
Teilsituationen wie ,,Festumzug" oder ,,Bierzelt".[18]
1.4.3
Beobachter/Beobachtete
Bezüglich des Beobachters
muß in erster Linie auf seinen Beobachterstatus geachtet werden. Er ist
gekennzeichnet von einem unterschiedlich hohen Partizipationsgrad (siehe Kap.
2.2.1 - Hoher/geringer Partizipationsgrad), d.h. eine Beobachterrolle kann an
der Situation teilnehmen oder nur beobachtend außen vor stehen (siehe Kap. 2.2
- Teilnehmende/ nicht-teilnehmende Beobachtung). Gerade bei der teilnehmenden
Beobachtung können teilweise Beobachter und die zu beobachtende Situation
unvereinbar sein, wie z.B. die Beobachtung des sozialen Verhaltens innerhalb
von Frauenhäusern durch einen männlichen Beobachter. [19]
Der jeweilige Beobachterstatus
hat einen Einfluß auf die Beobachteten. Wichtig hierbei ist wiederum der
Partizipationsgrad des Beobachters, der der Situation angepaßt sein muß, so daß
mögliche Verzerrungen weitgehend vermieden werden können. In den folgenden
Kapiteln wird noch näher auf diese Problematiken eingegangen werden.
Als eine besondere Form der
Beobachtung sei hier kurz die Selbstbeobachtung erwähnt. Wissenschaftler können
nicht nur Verhalten anderer studieren (Fremdbeobachtung), sondern auch sein
eigenes. Oswald Huber hebt hervor, daß die methodische Kontrolle bei der
Selbstbeobachtung in wesentlichen Punkten nicht gelänge, gerade weil die
Position des Beobachters mit der des Beobachteten zusammenfällt.[20]
Deshalb wird sie auch bei
der Überprüfung von Hypothesen nicht mehr angewendet.
Im folgenden wird deshalb
unter Beobachtung nur noch die Fremdbeobachtung verstanden.
2. Formen der
Beobachtung
Die folgenden Formen der
Beobachtung sind nicht beliebig miteinander austauschbar. Unterschiedliche
Formen der Beobachtung ziehen unterschiedliche Ergebnisse nach sich. So
unterscheiden sich auch die Art der auftretenden Fehler von Form zu Form z.T.
erheblich (siehe dazu Kap. 4 - Fehlerquellen). Dies ist um so bedeutender,
sollen verschiedene Ergebnisse miteinander verglichen werden.
2.1
Feldbeobachtung / Laborbeobachtung
Im Zusammenhang mit der
Feld- bzw. Laborbeobachtung sprechen Renate Mayntz, Kurt Holm und Peter Hübner
von den Begriffen ,,Beobachtungen in `natürlichen' sozialen Situationen (>
die Feldbeobachtung) und ,,Beobachtungen in `künstlich', experimentell
erzeugten Situationen.[21](>
die Laborbeobachtung), was die Merkmale dieser Beobachtungsformen eher
beschreibt.
Der Unterschied bei der
Feld- und Laborbeobachtung liegt in dem Umfeld, in dem die Beobachtung vorgenommen
wird: Während bei der Feldbeobachtung soziales Verhalten innerhalb des
natürlichen Kontexts studiert wird, bedient sich die Laborbeobachtung künstlich
geschaffenen Situationen,[22]
in denen ein Verhalten beobachtet wird.[23]
Es handelt sich hierbei also nicht um das ,,gekachelte Labor", es sei
denn, es gehört zu der zu beobachtenden Situation dazu. Bei der
Laborbeobachtung stellt sich die Frage, ob die so erhaltenen Ergebnisse
Aussagen über das entsprechende Verhalten im natürlichen Kontext zulassen, ob
sie sich also auf die Realität übertragen lassen. Außerdem ist es nicht immer
möglich, bestimmte Situationen kontrolliert hervorzurufen.
Vorteile der
Laborbeobachtung sind allerdings die leichtere Wiederholbarkeit im Vergleich
zur Feldbeobachtung und somit eine leichtere Überprüfbarkeit. Außerdem kann
,,im Labor" gezielter ,genauer und kontrollierter beobachtet werden. Von
einer Beobachtung unter kontrollierten Bedingungen läßt sich dann sprechen,
wenn folgende Punkte gezielt festgelegt sind:
2.2
Teilnehmende/nicht-teilnehmende Beobachtung
Bei der teilnehmenden bzw.
nicht-teilnehmenden Beobachtung handelt es sich um die Position des Beobachters
zum Gegenstand seiner Forschung, d.h., ob der Wissenschaftler selbst ein Teil
der zu beobachtenden Situation ist oder die Verhaltensabläufe als am Geschehen
Unbeteiligter beobachtet.
Mayntz, Holm, Hübner dazu:
,,Die nicht-teilnehmende Beobachtung zeichnet sich dadurch aus, daß der
Beobachter gleichsam von ,,außen her" die in der Situation ablaufenden
sozialen Prozesse registriert, ohne selbst an ihnen anders als beobachtend
beteiligt zu sein. Die teilnehmende Beobachtung ist dadurch charakterisiert,
daß der Beobachter selbst eine im Beobachtungsfeld definierte Rolle übernimmt
und sich den anderen Handelnden gegenüber dieser Rolle entsprechend verhält, ohne
von ihnen als Beobachter mit einem wissenschaftlichen Interesse erkannt zu
werden."[24]Vorteil der
teilnehmenden Beobachtung ist, daß der Beobachter durch den direkten Kontakt
mit dem zu untersuchenden sozio-kulturellen System ein größerer Einblick in dieses
gewährt wird.[25]
Die nicht-teilnehmende
Beobachtung ist eher für die Laboruntersuchung charakteristisch, aber nicht
darauf beschränkt. Vorteil der nicht-teilnehmenden Beobachtung ist die
Tatsache, daß der Beobachter nicht gezwungen ist, an der Situation
teilzunehmen. Da der Forscher seine volle Aufmerksamkeit der Beobachtung
schenken kann, erleichtert sich die Standardisierung der zu beobachtenden
Situation, außerdem die systematische Anlage des ganzen Beobachtungsvorgangs
und die Registrierung der Ergebnisse. Nachteilig ist jedoch die Tatsache, daß
der Forscher auf bestimmte Verhaltenssequenzen warten muß, während sie bei der
teilnehmenden Beobachtung vom Beobachter provoziert werden können.[26]
Fraglich bei der
teilnehmenden Beobachtung ist es, inwiefern das Verhalten der zu beobachtenden
Personen durch die Anwesenheit des Beobachters beeinflußt wird und somit das
Ergebnis verfälscht (siehe hierzu Kap. 4.3 - Reaktive Effekte). Teilnehmende
Beobachtungen sind also nur dann ratsam, wenn man davon ausgehen kann, daß das
Wissen um eine beobachtende Person den sozialen Prozeß nicht stark verändert
oder sich die Veränderungen in einem kontrollierbaren Rahmen befinden- in
privaten, vertraulichen Situationen ist sie also nicht anzuwenden.
Aber auch bei der nicht-teilnehmenden
Beobachtung besteht die Möglichkeit, daß durch die bloße Anwesenheit des
Beobachters die Situation verändert wird. Peter Atteslander stellt in diesem
Zusammenhang fest, daß ,,jede Beobachtung im strengen Sinne teilnehmend
ist".[27]
2.2.1 Hoher
/geringer Partizipationsgrad
Peter Atteslander
unterscheidet bei der teilnehmenden Beobachtung zwischen einem hohen bzw.
niedrigen Partizipationsgrad.[28]
Dabei bezeichnet er die Form
der Beobachtung, die Mayntz, Holm, Hübner als nicht-teilnehmend ansehen, als
teilnehmende Beobachtung mit sehr geringem Partizipationsgrad. Dennoch dürfen
beide Begriffe nicht synonym verwendet werden.
Nimmt der Forscher bei der
Beobachtung eine soziale Rolle ein, kann diese entweder aktiv oder passiv sein.
Aktiv ist sie, wenn der Forscher bestimmte Situationen provoziert oder
herbeiführt. Hierbei spricht man von einem hohen Partizipationsgrad bzw. von
einer aktiv-teilnehmenden Beobachtung. Im Gegensatz dazu kann der Forscher aber
auch eine passive Rolle einnehmen, so z.B. als Mitglied der Gruppe. Beobachtet
er nur den Verlauf der Dinge und nimmt selbst keinen Einfluß auf das Geschehen,
so ist sein Partizipationsgrad niedrig bzw. es liegt eine passiv-teilnehmende
Beobachtung vor.
2.3
Strukturierte/unstrukturierte Beobachtung
Strukturierte und
unstrukturierte Beobachtungen unterscheiden sich in dem Grad ihrer
Differenziertheit.
Dabei beachtet der Forscher
bei der unstrukturierten Beobachtung relativ grobe Kategorien sozialen
Verhaltens. Je differenzierter diese Kategorien werden, desto strukturierter
wird die Beobachtung. Deshalb gehen die unstrukturierten Beobachtungen den
strukturierten meist voraus, besonders dann, wenn das zu beobachtende Feld noch
unerforscht ist. Denn um konkrete Forschungshypothesen aufstellen zu können,
die mit Hilfe eines Beobachtungsschemas untersucht werden, bedarf es zunächst
einer genauen Kenntnis des Beobachtungsfeldes.
Eine strukturierte
Beobachtung beschreibt Atteslander wie folgt:
,,Der strukturierten Beobachtung
liegt ein vorab erstelltes Beobachtungsschema zugrunde, das angibt, was und wie
zu beobachten ist. Es definiert die Zahl und Art der Beobachtungseinheiten,
deren besondere Dimensionen und gibt Beispiele für die Sprache, in der
beobachtet werden soll."[29]
Als Beispiele für
unstrukturierte Beobachtungen gelten bei Sellitz, Jahoda, Deutsch und Cook
ethnologische Studien:[30]
Ethnologen beobachten eine
fremde Kultur, um deren Strukturen und Charakteristika herauszufinden. Aus
diesen zunächst noch allgemeinen Beobachtungen entwickeln sich differenziertere
Kategorien für die Beobachtung. Erst dann werden gezielt einzelne Aspekte des
sozialen Systems mittels strukturierter Beobachtungen untersucht. Dabei werden
insbesondere auch aus der unstrukturierten Beobachtung heraus aufgestellte
Hypothesen überprüft.
2.4
Offene/verdeckte Beobachtung
Bei der offenen Beobachtung
ist dem Beobachteten bewußt, daß ein Wissenschaftler anwesend ist, der ihn in
der vorliegenden Situation beobachtet. Für den Forscher bedeutet dies, daß er
sich freier und offener im Feld bewegen kann, im Gegensatz zur verdeckten
Beobachtung. Die durch die ungewohnte Situation des ,,beobachtet werdens"
auftretenden Verzerrungen der Beobachtungen durch Verhaltensänderungen
verschwinden jedoch nach einer Eingewöhnungsphase. Dann hat der Beobachtete
sich an die Aufzeichnungsgeräte gewöhnt, es können sogar Vertrauensverhältnisse
zwischen Beobachter und Beobachteten entstehen, die einen
Informationenaustausch und ein Verstehen des zu untersuchenden Feldes ohne
Täuschungen ermöglicht.[31]
Bei der offenen Beobachtung
kann auch mit ,,teilweiser" Offenheit gearbeitet werden. So kann z.B. ein
Forscher die zu untersuchenden Personen zwar davon unterrichten, daß sie
beobachtet werden, verschweigt ihnen aber die Forschungsfrage, wenn dies im
Interesse seiner Beobachtung ist, d.h., wenn ansonsten Verzerrungen des
natürlichen Verhaltens zu erwarten wären.[32]
Bei der verdeckten
Beobachtung weiß keiner der Beobachteten von der Existenz eines Forschers in
der Gruppe. Dadurch sollen sie sich so natürlich und ungestört wie möglich
fühlen. Eine verdeckte Beobachtung wird in der Sozialforschung jedoch nur
selten angewendet - also nur, wenn eine offene Beobachtung nicht durchgeführt
werden kann, da in diesem Fall die für die Untersuchung relevanten
Verhaltensweisen zu stark verändert oder gar nicht gezeigt werden würden. Sinn
dieses Beobachtungsverfahrens ist es also, reaktive Effekte zu vermeiden (siehe
Kap. 4.3 - Reaktive Effekte).
Als Beispiele können hier
die Untersuchung von Sektenaktivitäten oder von Sexualverhalten gelten.[33]
Bei letzterem ist eine
verdeckte Beobachtung vonnöten, da sonst zwei ungewollte Effekte auftreten, wie
Atteslander aus Humphrey's Untersuchung zitiert:
,, In eine öffentliche
Toilette zu kommen mit einem Button am Aufschlag, auf dem steht 'Ich bin ein
Spitzel und bespitzele Dich', würde zum sofortigen Abbruch aller Aktivitäten
führen [...]. Der zweite Grund liegt darin, daß es gilt, Verzerrungen zu
vermeiden. [Würden einige] Männer gefunden werden können, die ihre sexuellen
Aktivitäten auch unter Beobachtung fortsetzen würden, wie `normal' könnten
solche Aktivitäten wohl sein? Wie könnte der Forscher `Show und `Täuschung' vom
Regelverhalten bei Begegnungen dieser Art unterscheiden?"[34]
Bei der verdeckten
Beobachtung gibt es zwei Möglichkeiten der Tarnung; entweder schlüpft der
Beobachter in eine vorhandene oder neu geschaffene soziale Rolle, oder aber er
beobachtet das Geschehen durch einen einseitig durchsichtigen Spiegel.[35]
Bei der Übernahme einer Rolle
im Feld erhält der Beobachter zwar einen größtmöglichen Einblick in das von ihm
zu beobachtende Feld, jedoch stellt diese Untersuchungsmethode auch
ungewöhnlich hohe Anforderungen an den Forscher, da er während der Beobachtung
nicht nur die Rolle des Forschers, sondern auch die des sozialen Teilnehmers im
Feld zu spielen hat. Neben dieser Doppelbelastung für den Untersuchenden
besteht weiterhin die Gefahr einer Enttarnung und somit auch ein Abbruch der
Beobachtung. Ein letzter Punkt gegen die verdeckte Methode ist der
forschungsethische Einwand, da möglicherweise Informationen über das
Forschungsfeld oder die Beobachteten weitergegeben werden ohne deren
Einverständnis, da ihnen die Tatsache, daß sie beobachtet werden, ja unbekannt
war.[36]
2.5 Direkte/indirekte
Beobachtung
Wenn Daten während oder
direkt nach dem Beobachtungsvorgang erfaßt werden, so spricht man von einer
direkten Beobachtung. Eine indirekte Beobachtung hingegen ist die ,,Beobachtung
von Sekundärmaterial, etwa das Studium von Protokollen oder
Expertenberichten"[37],
obwohl Atteslander einschränkend erwähnt, daß dies eher eine Dokumentenanalyse
als eine Beobachtung sei.
3.
Beobachtungsverfahren
3.1 Die
Interaktionsanalyse von R. F. Bales
In den 50er Jahren
entwickelte Robert F. Bales eine Methode zur Untersuchung kleiner Gruppen, die
nach ihm benannte Balessche Interaktionsanalyse bzw. Analyse des
Interaktionsprozesses (IPA).
Diese Methode sollte der
Untersuchung kleinerer Gruppen für verschiedenste Aufgaben dienen: ,,Sie [die
IPA] ist insofern einen allgemeine Methode, als sie unabhängig von dem Thema
oder der Aufgabe, mit der sich die Gruppe befaßt, angewendet werden kann, indem
sie die Meßbarkeit eines Systems von theoretisch bedeutsamen Variablen
eröffnet."[38] Ziel ist
es, ,,aus dem Rohmaterial der Beobachtung [...] die Bedeutsamkeit jeder
Handlung für die Lösung der Problems im Gesamtablauf des Gruppengeschehens [zu
abstrahieren]".[39]
Bei der Entwicklung seines Systems ließ sich Bales von der Annahme leiten,
,,daß man sich jedem geordneten und wenigstens teilweise kooperativen System
menschlicher Interaktion [...] um Zweck der wissenschaftlichen Analyse in einer
bestimmten Weise annähern kann".[40]
Unter sozialer Interaktion
versteht Bales ein ,,Gespräch oder ein Verhalten, durch das zwei oder mehr
Personen unmittelbar miteinander verkehren."[41]
Diese sozialen Interaktionen
teilt er in zwölf Kategorien ein. Diese Kategorien sind so beschaffen, daß sich
jedes Verhalten in eine Kategorie eingeordnet werden kann. Es gibt also keine
,,Restkategorie", in die Handlungen eingeordnet werden, die den anderen
nicht zuzuordnen sind. Außerdem wird jede beobachtete Handlung nur einer
Kategorie zugeordnet.
Die zwölf
Kategorien der Interaktion sind folgende:
Jedes der Gegensatzpaare
entspricht einem ,,funktionellen Problem". Bales dazu: ,,Im Sinne einer
ersten, ungefähren Annäherung stellt man sich funktionelle Probleme am besten
als eine Reihe von `Stufen' oder `Schritten' bei der Lösung eines Problems vor".[43]
Die sechs funktionellen
Probleme sind:
Diese sechs funktionellen
Probleme lassen sich laut Bales ,,auf jedes konkrete Interaktionssystem logisch
[anwenden]".[44]
In diesem System stehen sich
,,negative" und ,,positive" Ausprägungen zweier Bereiche gegenüber. Dem
sozialemotionalen Bereich ,,positive Reaktion" (Kategorien 1 bis 3) steht
die ,,negative Reaktion" desselben Bereichs mit den Kategorien 10 bis 12
gegenüber. Den ,,Fragen" aus dem Bereich der Aufgaben (Kategorien 7 bis 9)
entsprechen die Kategorien 4 bis 6 als ,,Versuche der Beantwortung". Bales
untersuchte mit diesem Schema verschiedene Gruppen in seinem Labor, denen er
die Aufgabe stellte, gegebene Fragen zu erörtern und Probleme zu lösen. Die
Beobachter verfolgten das Geschehen hinter einer einseitig durchsichtigen
Scheibe und protokollierten den Vorgang. Wenn z.B. Gruppenmitglied 1
Gruppenmitglied 5 die Frage stellte: ,,Wie spät ist es?", so wurde unter
Kategorie 7 die Eintragung 1-5, bei der Antwort auf die gestellte Frage unter
Kategorie 6 erfolgte die Eintragung ,,5-1".[45]
Ein Problem bei dieser
Beobachtungsmethode liegt bei der Geschwindigkeit des Handlungsablaufes und mit
der damit verbundenen Schwierigkeit, die beobachtete Handlung zu registrieren
und zu interpretieren. Weiterhin soll der Beobachter die Rolle des
,,generalisierten Anderen" übernehmen, soll sich also ,,den Inhalt der
gemeinsamen Kultur der beobachteten Gruppe aneignen, und die beobachteten
Interaktionen von diesem Verständnis her interpretieren. Das soll ihn in die
Lage versetzen, eine Handlung so zu interpretieren, wie sie von den Handelnden
gemeint und von dem, auf den sie sich bezieht, auch gedeutet wird."[46]
Mittels seines Schemas war
es Bales möglich, Fragen über die Gruppenstruktur und Gruppenprozesse empirisch
zu beantworten.[47]
3.2 Die Street
Corner Society als Beispiel für eine teilnehmende Beobachtung
Mitte der 60er Jahre
veröffentlichte der Sozialforscher William F. Whyte seine als ,,Street Corner
Society" bekannt gewordene Falluntersuchung. Als teilnehmender Beobachter
wollte er das Vorurteil widerlegen, daß ,,das soziale Leben in den Slums
amerikanischer Großstädte sich vor allem durch soziale Desorganisation
auszeichne".[48]
Dazu lebte er dreieinhalb
Jahre lang in Cornerville, USA, einem Slum, und studierte dessen soziale
Strukturen. Sein Ergebnis war, ,,daß jedes Gruppenmitglied eine bestimmte
soziale Position innerhalb der Gruppenstruktur einnimmt, die seine
Verhaltensweisen gegenüber den anderen Gruppenmitgliedern festlegt."[49]
Es lag also keine soziale
Desorganisation vor, wie vermutet wurde, statt dessen stieß Whyte auf ein
strukturiertes soziales System mit einem hierarchischen Aufbau und einem
institutionalisierten Normen- und Wertegefüge.[50]
Für seine Untersuchung war
charakteristisch, daß ,, sie eine explorative Funktion hat und keine explizit
definierten Hypothesen empirisch überprüfen wollte".[51]
Whytes ,,Street Corner
Society" war eher eine unstrukturierte Beobachtung eines bis daher nicht
näher erforschten sozio-kulturellen Umfeldes.
3.3
Nicht-reaktive Verfahren
Kennzeichen der
nicht-reaktiven Verfahren ist die Tatsache, daß Forscher und Betroffene nicht
miteinander in Kontakt treten. Hiermit wird ausgeschlossen, daß der Forscher
die Beobachteten beeinflussen oder diese mit einem veränderten Verhalten auf
die Anwesenheit des Beobachters reagieren. So kann z.B. die Kleidung
verschiedenen Personen Aufschluß über den sozialen Status geben, den sie
bekleiden. Auch läßt die Kleidung Rückschlüsse über den Beruf oder das
Studienfach der Person zu. Man kann allerdings nicht nur anhand von Personen,
sondern aufgrund Veränderungen in der Umwelt Schlüsse ziehen. So kann man z.B.
am Zustand eines Buches aus einer Leihbücherei erkennen, wie oft diese Buch
entliehen wird. Genauso geben abgetretene Fußbodenplatten in einem Museum
Aufschluß darüber, wo die Besucherwege entlang führen, d.h., ob einem Kunstwerk
vielleicht mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht wird als anderen.[52]
So können viele
Beobachtungen in der Umgebung Aufschluß über damit zusammenhängende Umstände
geben, die in diesem Fall nicht durch die Anwesenheit eines Beobachters
verzerrt wurden.
3.3.1
Lost-Letter-Technique
Zur Verdeutlichung der
methodologischen und methodischen Probleme bei nicht-reaktiven Verfahren eignet
sich die sog. ,,Lost-Letter-Technique".[53]
Hierbei legt man eine Anzahl
verschlossener, adressierter und frankierter Briefe in einer Stadt aus an
verschiedenen Orten wie z.B. Telefonzellen, auf Straßen etc. Personen, die
diese Briefe finden, haben die Möglichkeit, die Briefe entweder zu zerreißen, liegenzulassen
oder aufzugeben. Die Adressen hierbei stammen von mehreren verschiedenen
Organisationen. An der Rücklaufquote der Briefe nun will man die Popularität
der jeweiligen Organisation ablesen können. Verzerrend hierbei wirkt allerdings
die Tatsache, daß die Fundorte der Briefe Einfluß auf deren Rücklaufquote - bei
Läden und Autos sind sie am höchsten - haben können. Auch das Wetter hat einen
Einfluß auf den Rücklauf der Briefe. Da sie möglichst mit der Adressierung nach
oben liegen sollen, ist dies an windigen und regnerischen Tagen problematisch.[54]
Zwar können wetterbedingte
Störungen vermieden werden und die Bevölkerungszusammensetzung anhand von
demographischen Merkmalen kontrolliert werden, aber das Hauptproblem bei dieser
,,Lost-Letter-Technique" ist, daß hierbei eher die Ehrlichkeit der Finder
als deren Einstellung zum jeweiligen Adressaten gemessen wird.[55]
4.
Fehlerquellen
Mögliche Fehlerquellen bei
der Beobachtung können beim Beobachter, dem Instrument und der Situation
liegen. Kennt man die typischen Fehlerquellen, so lassen sich die Fehlerquellen
zumindest minimieren.
Eines der gravierendsten
Probleme ist die Tatsache, daß soziales Verhalten abstrakt ist, Beobachtetes
muß nicht notwendigerweise mit der Realität übereinstimmen. So kann Anteilnahme,
z.B. am Schicksal eines anderen, nicht als solche beobachtet werden, vielmehr
muß auf sie geschlossen werden aus beobachtbarem Sachverhalten. Dies geschieht
um so zuverlässiger, je ähnlicher das soziale Umfeld von Beobachter und
Beobachtetem ist, da sich ihre ,,soziale Sprache" dann ähnlicher ist.
4.1
Systematische Fehler
Fehler können schon in der
Vorbereitungsphase einer Beobachtung auftreten. Denkbar sind eine ungeschickte
Auswahl der Beobachtungsform, unzureichende Klärung des zu beobachtenden
Verhaltens, ein unpassendes oder ungenaues Kategorienschema, eine ungenaue
Festlegung der Beobachtungseinheiten, eine schlechte Auswahl der
Beobachtungsperioden, eine ungenaue Abklärung über die Bedeutung bestimmter
Gesten und Handlungen (speziell in fremden Kulturen), um nur einige zu nennen.
Ist eine Beobachtung von den
Forschern in der Theorie geplant und festgelegt, kann ein ,,Pre-test"
einen ersten Hinweis auf den Wert der damit durchgeführten Beobachtung geben.
Diese ,,Vorab-Beobachtung" hält Jürgen Friedrichs ,,bei jeder Studie mit
einem Beobachtungsverfahren [für] unerläßlich."[56]
Der Pretest stelle eine
Stichprobe dar, die ,,fast immer [...] zur Revision des Schemas [der
Beobachtung] und fast immer zu weiterer Schulung der Beobachter [führt]".[57]
4.2 Fehler
durch den Beobachter
Auch der Forscher selbst
wird bei der Beobachtung zum Instrument dieser Forschung. Um dieser Aufgabe
gerecht zu werden, muß ein Beobachter hierfür geschult sein, um als dieses
,,Instrument der Forschung" fungieren zu können.
König beschreibt die
Anforderungen an einen Beobachter folgendermaßen: ,,...er [muß] sich zunächst
befreien und `abschneiden' von allen Beziehungen der Rasse, der Nationalität, der
Interessen, Vorlieben, Vorurteile und abergläubischen Vorstellungen, die seine
eigene Gesellschaft und seine Zeit ihm geschaffen haben."[58]
Daß diese Forderung nur
schwer zu erfüllen ist, ist einleuchtend. Grundsätzlich läßt sich sagen, daß,
je höher der Partizipationsgrad eines Beobachters ist, desto größer die Gefahr
ist, daß er das Ergebnis in seinem Sinne prägen kann. Nimmt ein Forscher am
Geschehen in einer Gruppe teil, so muß er sich bis zu einem gewissen Grad durch
Sozialisation an diese anpassen. Damit verliert er aber gleichzeitig Distanz
und büßt ,,Objektivität" ein. Schon bei einem nur kurzen Kontakt zu
den zu Beobachtenden (wie z.B. bei der Begrüßung im Labor) kann er
,,Signale" aussenden, die das Verhalten der Personen beeinflussen kann.
Des weiteren können
Verfälschungen auftreten, wenn der Forscher sich mit bestimmten Personen
identifiziert, andere dagegen ablehnt (ebenso mit geäußerten Ansichten). Auch
besteht die Gefahr, daß der Forscher Aspekte, die eine von ihm bevorzugte
Theorie stützen, eher wahrnehmen als ihr widersprechende.[59]
Aber auch Forscher mit einem
eher niedrigen Partizipationsgrad können beträchlich auffallen und damit die
Situation als solche verfälschen, wie Günter Albrecht anmerkt.[60]
Ein Beobachter nimmt auch
nicht zu allen Zeiten das Gleiche wahr, selbst wenn die Situation unverändert
ist (intraindividuelle Unterschiede). Ebenso nehmen verschiedene Beobachter die
gleiche Situation verschieden wahr (interindividuelle Unterschiede).
Um diese denkbaren Fehler
bei der Beobachtung zu vermeiden, gibt es die Möglichkeit, mehrere Forscher
gleichzeitig beobachten zu lassen oder eine wiederkehrende Situation erneut
beobachtet wird.
In diesen Fällen werden die
verschiedenen Ergebnisse miteinander verglichen, man überprüft die Reliabilität
der Beobachtung. Außerdem kann es angebracht sein, einen Forscher aus einem
möglichst stark abweichenden sozialen Umfeld miteinzubeziehen (Überprüfung der Validität).
4.3 Reaktive
Effekte
Sind sich untersuchte
Personen darüber im Klaren, daß sie beobachtet werden, so muß man damit
rechnen, daß reaktive Effekte auftreten: In der Situation der Beobachtung
ändern die Beobachteten bewußt oder unbewußt ihr Verhalten. In diesem
Zusammenhang ist der ,,Versuchs-Kaninchen-Effekt" zu nennen, der besagt,
daß sich eine beobachetete Person eine bestimmte Situation ,,zurechtlegt"
und sich nach dieser Annahme zu verhalten versucht. Günter Albrecht bemerkt
hierzu aber, daß dieser Effekt ,,nicht absolut sicher vorhanden, aber sehr
wahrscheinlich" ist.[61]
Ein weiterer reaktiver Effekt ist der Rollenwahleffekt, der mit ersterem eng
verbunden ist, jedoch wird hierbei eine ganz bestimmte Rolle gewählt.
Diese Effekte lassen sich
durch eine verdeckte Beobachtung vermeiden. Ist eine derartige Form der
Beobachtung nicht durchführbar, so kann man versuchen, die unerwünschten
Effekte abzuschwächen.
Huber spricht von einer
Eingewöhnungsphase der beobachteten Personen als Mittel gegen reaktive Effekte.
[62]
Denkbar sind auch
,,Täuschungsmanöver", in denen man vorgibt, z.B. das Kind einer bestimmten
Person zu beobachten, in Wirklichkeit handelt es sich bei dem Objekt der
Beobachtung um die angesprochene Person selbst. Außerdem kann der menschliche
Beobachter durch Aufzeichnungsgeräte ersetzt werden, da davon auszugehen ist,
daß eine beobachtete Person sich leichter an ein Gerät als an einen Menschen
gewöhnt.
Doch selbst eine frontale
Beobachtung braucht nicht notwendiger weise einen Einfluß auf die Beobachtung
haben. Wie J. Friedrichs berichtet, führte er eine offene Beobachtung mit 70
Teilnehmern, die über gesellschaftliche und persönliche Probleme der Sexualität
sprachen. Trotz des Themas, welches sich eher nicht für offene Beobachtungen,
anbietet (vgl. Kap. 2.4 - Offene/verdeckte Beobachtung), ließen sich reaktive
Effekte - durch Befragung bei den Beobachtern und den Teilnehmern - nicht
feststellen. Auch auf die Frage hin, ob die Teilnehmer sich beobachtet gefühlt
hätten - obwohl für alle erkennbar war, daß zwei Personen an der Diskussion
nicht teilnahmen und frontal vor der Diskussionsgruppe saßen - verneinten sie
jede Beeinflussung durch die anwesenden, jedoch nicht als solche vorgestellten
Beobachter.[63]
Typischer, gerade bei
ausdrücklich offenen Beobachtungen in diesen Themenbereichen, sind jedoch eher
Reaktionen wie in Kap. 2.4 - Offene/verdeckte Beobachtung beschrieben.
Literaturverzeichnis
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[2] Atteslander, P., ebenda.
[3] Atteslander, P., ebenda.
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[5] Atteslander, P., a.a.O., S. 126 ff
[6] ebenda., a.a.O., S. 126 ff.
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[12] Atteslander, P., ebenda.
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[18] Atteslander, P., a.a.O., S. 101
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[20] Huber, O.: Beobachtung, in: Erwin
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[21] Mayntz, R., Kurt Holm und Peter
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[22] Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 98.
[23] Mayntz, Holm, Hübner,a.a.O., S. 90.
[24] Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 98.
[25] Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 100.
[26] Mayntz, Holm,Hübner, a.a.O., S. 99
[27] Atteslander, P., a.a.O., S. 136.
[29] Atteslander,P., .a.aO., S. 105.
[30] Sellitz, Jahoda, Deutsch, Cook, a.a.O., S. 245ff
[31] Atteslander, P. a.a.O., S.111.
[32] Atteslander, P., ebenda.
[33] Atteslander, P., a.a.O., S. 109
[34] Atteslander, P., a.a.O., S. 110.
[35] Atteslander, P., a.a.O., S. 110.
[36] Atteslander, P.: a.a.O., S. 111.
[37] Atteslander, P,: Methoden der
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[38] Bales, R. F.: Die
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[39] Bales, R. F., a.a.O., S. 151 f.
[40] Bales, R. F., a.a.O., S. 152.
[42] Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 95
ff.
[43] Bales, R. F., a.a.O., S. 155.
[44] Bales, R. F., ebenda
[45] Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 95 ff.
[46]Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 97.
[47]Mayntz, Holm, Hübner, ebenda
[48]Mayntz, Holm, Hübner, a.a.O., S. 92.
[49]Mayntz, Holm, Hübner, ebenda.
[50]Mayntz, Holm, Hübner, ebenda
[52]Friedrichs, J.: ,a.a.O., S. 310
[53]Friedrichs, J.: ,a.a.O., S. 312.
[54]Friedrichs, J.: ebenda
[55]Friedrichs, J:. a.a.O., S. 314.
[56]Friedrichs, J., a.a.O., S. 286.
[57]Friedrichs, J. ebenda.
[58]König, R.: Die Beobachtung, in: Rene
König (Hrsg.) Grundlegende Methoden und Techniken der empirischen
Sozialforschung, I. Teil, Bd. 2, 3. Auflage, Stuttgart 1973., S. 38.
[59]Atteslander, P., a.a.O., S. 149ff
[60]Albrecht, Günter: Nicht-reaktive
Messung und Anwendung historischer Methoden, in: Jürgen van Koolwijk und Maria
Wieken-Mayser (Hrsg.): Techniken der empirischen Sozialforschung, 2. Band,
München, Wien 1975, S. 15.
[61]Albrecht, Günter: Nicht reaktive Messung und
Anwendung historischer Methoden, in: Jürgen van Koolwijk und Maria
Wieken-Mayser (Hrsg.): Techniken der empirischen Sozialforschung, 2. Bd.,
Untersuchungsformen, München, Wien 1975.
[62]Huber, O., a.a.O., S. 130.
[63]Friedrichs, J., a.a.O., S. 282.