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Was sind Hamas, Fatah, Tansim, Dschihad, Hisbollah?
Quelle: MDR Online 13.09.2001 15:06 Uhr und 18.09.2001 17:39 Uhr
Die Hamas ist soziales Netzwerk und militante Bewegung zugleich. Ende der 70er Jahre verbündeten sich islamische Aktivisten in den israelisch besetzten Palästinensergebieten mit der panarabischen Moslem-Brüderschaft und errichteten ein Netzwerk von Wohlfahrtseinrichtungen, Schulen und Kliniken im Gaza Streifen und im Westjordanland.
Zunächst insgeheim von Israel unterstützt, um den Alleinvertretungsanspruch der PLO für das palästinensische Volk zu schwächen, radikalisierte sich die islamische Bewegung nach dem Beginn der Intifada im Dezember 1987. Noch im selben Monat wurde die Hamas von Brüderschaftsanhängern und religiösen PLO-Mitgliedern gegründet.
Die Hamas-Satzung forderte alle Palästinenser zum Heiligen Krieg auf, um Palästina von der Herrschaft der Nicht-Moslems zu befreien. Der bewaffnete Arm der Hamas startete Terroraktionen gegen Israel. Die Organisation lehnte das Friedensabkommen zwischen der PLO und Israel (1993) ab und versuchte vor allem mit Selbstmordattentaten auf israelische Busse, den Friedensprozess zu unterbrechen. Der seit 1991 in israelischer Haft befindliche Hamas-Gründer Scheich Achmed Jassin wurde 1997 nach einem mißglückten Attentat des israelischen Geheimdienstes in Jordanien freigelassen. Israels damaliger Regierungschef Netanjahu wollte durch diese symbolische Geste Konflikte mit Arafat und Jordanien
vermeiden. Jassin lebt seitdem wieder in Gaza.
PLO-Chef Arafat schwankt in seiner Politik gegenüber
der Hamas: Einerseits versuchte er, die Organisation einzubinden, indem
er ihren Vertreter zu hohen Funktionären in der palästinensischen
Selbstverwaltung ernannte. Andererseits wurden zahlreiche Hamas-Militante
von palästinensischen Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen.
Fatah: Abkürzung für "Palästinensische Nationale Befreiungsbewegung"
Ende der 50er Jahre gegründet von Jasser Arafat und Abu Dschihad. Die Organisation strebte einen Kleinkrieg mit Israel an, um Palästina zu befreien. Unterstützung fand die Fatah in Syrien, wo sie auch ihr Hauptquartier bezog. 1964 unternahm die Organisation ihre erste militärische Aktion und sprengte ein israelisches Wasserpumpwerk in die Luft. Ende der 60er Jahre war die Fatah die reichste Gruppe innerhalb der PLO und übernahm die Kontrolle.
Zweimal wurde die Fatah vertrieben: Nach dem jordanischen
Bürgerkrieg 1969 mussten die Guerilla-Kämpfer auf Betreiben von
König Hussein Jordanien verlassen, 13 Jahre später wurden sie
von der israelischen Armee aus dem Libanon vertrieben. Terrorakte gegen
Israel machten die Fatah bekannt und berüchtigt. Eine radikale Abspaltung,
"Schwarzer September", tötete 1972 bei den Olympischen Spielen in
München elf israelische Sportler. Mitte der 80er Jahre entwickelten
sich heftige Machtkämpfe in der Fatah, doch gelang es Jasser Arafat
Anfang der 90er seinen Führungsanspruch zu behaupten. Seit der Anerkennung
des Existenzrechtes Israels durch PLO 1988 enthielt sich die Fatah offiziell
terroristischer Anschläge. Sie gilt weiterhin als Organisation, die
von Arafat-Vertrauten geleitet wird und loyal zum palästinensischen
Präsidenten steht.
Tansim: arabisch für "Organisation"
Die Tansim sind eine militante Gruppierung innerhalb der größten PLO-Fraktion Fatah. Die israelischen Sicherheitskräfte behaupten, dass die Tansim die Unruhen in den Palästinensergebieten organisiert hat. Die Tansim ist fast in jedem palästinensischen Ort mit einer Gruppe vertreten. Intifada-Aktivisten und junge Leute bilden das Rückgrat der Organisation, die viele Palästinenser als einheimisches Gegenwicht zu den offiziellen Sicherheitskräften ansehen. Der Sicherheitsapparat der Palästinensischen Nationalbehörde wird von Funktionären geführt, die viele Jahre ihres Lebens im Exil verbracht haben und deshalb unter der Bevölkerung als "Außenseiter" gelten, denen das Verständnis für die soziale und politische Situation vor Ort fehlt.
Die Tansim lehnt Kompromisse mit Israel ab: Sie fordert die Auflösung aller israelischen Siedlungen in Palästina und die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen aus israelischen Gefängnissen. Die Tansim-Mitglieder werden militärisch trainiert. Nicht bekannt ist, wie viele der schätzungsweise 10.000 bis 15.000 illegalen Waffen in den Palästinensergebieten sich in ihren Händen befinden. Generalsekretär der Tansim ist Marwan Barghuti (41), Sohn eines Grundbesitzers aus der Gegend von Ramallah. Als Chef des Studentenkomitees an der Bir-Seit-Universität im Westjordanland organisierte er an führender Stelle die Intifada (1987-1993) mit. Israel deportierte ihn wegen seiner Aktivitäten; Barghuti ging nach Tunis und arbeitete im PLO-Kommando von Jasser Arafat. Er ist Abgeordneter des palästinensischen Parlaments und wirft der Palästinensischen Nationalbehörde häufig Korruption und Gesetzlosigkeit vor.
Barghuti gilt wegen seiner Popularität und der
Stärke seiner Tansim als möglicher Nachfolger Arafats.
Islami Dschihad: arabisch für "Islamischer Heiliger Krieg"
Terrororganisation in den Palästinensergebieten, verantwortlich für eine Reihe von Mordanschlägen (meist Selbstmord-Attentate) auf Israelis. Unter dem Namen Islami Dschihad werden verschiedene radikal-islamistische Gruppen in den Palästinensergebieten zusammengefasst. Sie spalteten sich Ende der 70er Jahre unter dem Einfluss der iranischen Revolution von der palästinensischen Moslem-Brüderschaft im Gaza-Streifen ab. Ihrer Meinung nach muss Israel beseitigt werden, um die arabische Welt vereinen zu können.
Noch vor Beginn der Intifada 1987 verübte der Islami Dschihad mehrere Anschläge auf israelisches Militär im Gaza-Streifen. Im Sommer 1988 wurden die Anführer der Organisation von Israel in den Libanon ausgewiesen. Nach dem Oslo-Abkommen zwischen der PLO und Israel tötete der Islami Dschihad bei blutigen Bombenanschlägen Anschläge mehr als 40 israelische Soldaten und Zivilisten (z.B. Autobusanschlag in Tel Aviv 1996 - 13 Tote), um den Friedensprozess zu stoppen. Fathi Schkaki, der Gründer der Bewegung, wurde 1995 auf Malta erschossen, vermutlich vom israelischen Geheimdienst. Nach Beginn der Unruhen in den Palästinensergebieten sollen Aktivisten des Islami Dschihad von der Arafat-Regierung freigelassen worden sein.
Ergänzung:
"Dschihad" nicht mit "Heiliger Krieg" gleichzusetzen Meldung vom 18.09.2001 17:39
Dschihad – der Begriff steht im Arabischen für „Bemühen“ – umschreibt im Islam die Pflicht der Muslime, sich umfassend für die Sache Allahs einzusetzen. Jeder Muslim ist danach verpflichtet, für die Verbreitung des Islams unter den Nichtmuslimen zu wirken und das Gebiet des Islam – man spricht von „Dar al Islam („Haus des Islam“) zu verteidigen. Dazu kann auch die Verteidigung des „Haus des Islam“ gegen ausgesprochene Feinde gehören.
Nichtmuslime sind nach dem Koran nicht automatisch Ungläubige. Juden und Christen dürfen zum Beispiel nicht durch Zwang zum Islam bekehrt werden, da sie als Anhänger einer monotheistischen Religion ebenfalls Empfänger der göttlichen Offenbarung gelten. Das erklärt auch, dass das seit dem Mittelalter in Südosteuropa vordringende Osmanische Reich nie den Versuch gemacht hat, die dortigen christlichen Kirchen zu unterdrücken. Anhänger von jüdischen Religion besaßen unter osmanischer Herrschaft sogar einen bemerkenswerten Schutz. Anhänger polytheistischer Religionen sind dagegen „Ungläubige“ im Sinne des Korans.
In jüngster Zeit wird der Begriff des Dschihad vor allem von extremistischen politischen Gruppierungen, die sich auf die Wurzeln des Islam berufen, inflationär eingesetzt. Im Westen wird der Begriff Dschihad oft fälschlich mit „heiliger Krieg“ übersetzt. Der Koran lässt aber nur im Ausnahmefall – so zur Verteidigung des Glaubens gegen Feinde – Gewalt zu. Sie darf erst dann eingesetzt werden, wenn alle anderen Mittel zur Abwehr von Gefahren ausgeschöpft worden sind.
Ein einzelner Moslem darf den Dschihad nicht ausrufen. DieserAufruf darf nur von einer religiösen Instanz nach Beratung mit Islamgelehrten ausgehen.
Einen "heiligen Krieg" im Sinne des Koran hatten
muslimische Staaten zeitweilig gegen die Kreuzfahrerstaaten, das Byzantinische
Reich oder das Altpersische Reich geführt. Das schloss aber nicht
aus, das aus taktischen Erwägungen zum Beispiel das christliche Byzanz
und muslimische Staaten auch gemeinsame Allianzen gegen andere christliche
oder muslimische Länder geschmiedet hatten.
Hisbollah: arabisch für "Partei Gottes"
Eine schiitische paramilitärische, politische und soziale Organisation im (Süd-)Libanon. Die Islamisten-Organisation wurde 1982 von mehreren Geistlichen gegründet, die nach dem Vorbild der iranischen Revolution jeglichem Kompromiss mit den USA, Israel, aber auch den Christen im Land abschworen. Materielle Unterstützung bezog die Hisbollah vor allem aus dem Iran, profitierte aber auch von der Duldung durch die syrischen Streitkräfte im Libanon. Ihr Widerstand gegen die israelische Besatzung und der Aufbau eines sozialen Netzwerkes verschafften der Organisation großen Rückenhalt in der Bevölkerung, der sich auch bei Wahlen zeigte.
Die Hisbollah-Anschläge auf israelisches Militär in der sogenannten "Sicherheitszone" und der häufige Katjuscha-Beschuss von Orten in Nordisrael führten dazu, dass Israel den besetzten Landstreifen im Südlibanon in diesem Jahr räumte. Seitdem hat die Hisbollah ihre Angriffe auf Israel eingestellt - offenbar auch unter syrischem Druck. Inzwischen haben sich die Islamisten aber in den verschärften Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis eingemischt und an der israelischen Nordgrenze drei Soldaten des jüdischen Staates entführt. Die Hisbollah will sie nur freilassen, wenn Israel alle gefangenen Hisbollah-Kämpfer amnestiert.